Gipfeltreffen mit Kanzler Olaf Scholz: Maschinenbau erwartet Produktionseinbruch für 2023

2022-10-22 20:29:12 By : Ms. Kerry Y

Traditionstreffen, für den aktuellen Kanzler aber Premiere. Scholz bringt der Branche warme Worte mit.

Traditionstreffen, für den aktuellen Kanzler aber Premiere. Scholz bringt der Branche warme Worte mit.

Berlin Das jährliche Treffen des deutschen Maschinenbaus in Berlin gehört traditionell zu den Pflichtterminen der deutschen Spitzenpolitik. Für Olaf Scholz (SPD) war es als Bundeskanzler die erste Tagung, und er ließ es sich nicht nehmen, persönlich dort zu erscheinen. Sein Mitbringsel: zuversichtliche Worte für eine sorgengeplagte Branche.

Der Bau von Terminals für Flüssiggas (LNG) in Norddeutschland, der Abschluss neuer Energielieferverträge, zu 95 Prozent gefüllte Gasspeicher – all das hätten viele noch vor einigen Monaten nicht für möglich gehalten, so Scholz. „Wenn wir uns weiterhin auf die veränderte Lage einstellen, dann kommen wir sicher durch diesen Winter.“

Aus der Branche erfährt die Bundesregierung derzeit weitgehend Zustimmung. Während viele energieintensiven Industrien wegen der hohen Gaspreisen unter existenziellen Sorgen leiden, kommt der Maschinenbau mit einem durchschnittlichen Energiekostenanteil von einem Prozent am Umsatz bislang recht unbeeindruckt durch die Krise.

So verkündete der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbauer (VDMA), Ausrichter des Gipfels, am Dienstag eine recht optimistische Prognose für das laufende sowie das kommende Jahr. Während der Verband für die Maschinenbauproduktion 2022 einen Zuwachs von einem Prozent schätzt, soll das Herstellungsvolumen im kommenden Jahr um etwa zwei Prozent schrumpfen.

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„Darin enthalten sind allerdings noch gewisse Abwärtsrisiken“, gab Karl Haeusgen zu bedenken. Der VDMA-Präsident ist auch Aufsichtsratschef des bayerischen Hydrauliktechnikherstellers Hawe. Zudem bestehe ein großer Teil des Auftragsbestands aus Bestellungen, die bereits vor einiger Zeit getätigt wurden und etwa wegen Materialengpässen nicht abgearbeitet werden konnten. Klar sei auch: „Die Risiken sind durch die Folgen des Ukrainekriegs weiter angestiegen.“

Denn auch wenn ein Großteil des deutschen Maschinenbaus wegen seiner Prozesse noch nicht von den hohen Gaspreisen getroffen wird, spüren die Unternehmen die Preissteigerungen bei Vormaterialien, die in energieintensiven Prozessen hergestellt werden. So hätten sich etwa die Kosten für Metallteile, Kunststoffe oder Keramik entsprechend den hohen Energiekosten entwickelt.

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Das sei gerade für viele Maschinenbauer, die auf dem Weltmarkt tätig sind, ein Problem, so Haeusgen. „Wenn ich meine Produkte in Europa anbiete, dann treffe ich hier noch auf ein gewisses Verständnis, wenn ich wegen der höheren Kosten meine Preise erhöhen muss“, sagte der VDMA-Präsident. „Bei einem Kunden in Texas, der von der Energiepreiskrise überhaupt nicht berührt wird, ist das aber nicht der Fall.“

Um den Wettbewerbsnachteil der deutschen Industrie auszugleichen, spricht sich der VDMA für die Einführung einer Strompreisbremse aus. Als Vorbild soll dabei die geplante Gaspreisbremse dienen, zur der die Expertenkommission am Montag ihr Konzept vorgestellt hatte. Scholz griff die Forderung auf, indem er auf die geplante Abschöpfung der Zufallsgewinne einiger Stromerzeuger verwies. „Mit diesem Geld senken wir die Strompreise und die Netzentgelte für die Bürgerinnen und Bürger und die Unternehmen.“

Neben dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine beschäftigt die stark mittelständisch geprägte Branche derzeit auch die Zukunft des Chinageschäfts. Denn das Land ist mit einem Exportanteil von mehr als zehn Prozent nach den USA der wichtigste Auslandsmarkt der deutschen Maschinenbauer.

Dabei ist die Sorge vieler Unternehmen groß, dass die Volksrepublik in den kommenden Jahren einen Angriffskrieg gegen Taiwan führen könnte, mit ähnlichen handelspolitischen Folgewirkungen wie im Fall von Russland. Die wirtschaftlichen Auswirkungen wären für den Maschinenbau deutlich dramatischer – auch weil das Land vielen Unternehmen der Branche nicht nur als Absatzmarkt, sondern auch als wichtiges Bezugsland gilt.

So stammen etwa knapp zwei Drittel des weltweiten Angebots an sogenannten Seltenen Erden aus China. Der Begriff bezeichnet Metalle wie Scandium, Yttrium oder Lanthan, die beispielsweise für viele Vorprodukte und Zukunftstechnologien im Maschinenbau benötigt werden. Dazu gehören Brennstoffzellen, Plasmabildschirme, LEDs oder Katalysatoren.

Wie bereits beim russischen Erdgas ist die Sorge vieler Unternehmer groß, dass China diese Fast-Monopolstellung eines Tages als Hebel einsetzen könnte, um außenpolitische Ziele wie die Annexion Taiwans durchzusetzen. Auch vor diesem Hintergrund hält es VDMA-Präsident Haeusgen für wichtig, dass die Bundesregierung plant, eine eigene Chinastrategie zu entwickeln. „Aber dabei müssen Entmutigung und Ermutigung in einem angemessenen Verhältnis stehen.“

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Aus Sicht des Maschinenbaus sollte sich die Bundesregierung hier vor allem bemühen, den deutschen Unternehmen einen besseren Zugang zu neuen Absatzmärkten in Asien zu erschließen. Das soll sowohl den Absatz als auch den Einkauf weiter diversifizieren. Eine wichtige Rolle sollen dabei Freihandelsabkommen spielen, wie sie die EU zuletzt etwa mit der südamerikanischen Handelszone Mercosur geschlossen hat.

Dabei stellten sowohl Haeusgen als auch der Kanzler die derzeitige Regelung, dass solche Handelsabkommen nicht allein auf EU-Ebene, sondern zusätzlich von allen Mitgliedstaaten verhandelt werden, als unpraktisch infrage. Es könne doch nicht sein, so der VDMA-Präsident, dass ein Regionalparlament etwa im belgischen Wallonien die Macht habe, internationale Freihandelsabkommen abzulehnen, wie das etwa bei Mercosur der Fall sei.

Scholz stimmte ihm vorsichtig zu: Man müsse überlegen, ob es nicht besser sei, derartige Dinge allein von der EU verhandeln zu lassen.

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